Max Mohr
Venus in den Fischen

Roman
Mit einem Brief von D.H. Lawrence und einer Antwort
260 Seiten
broschiert
€ 19
ISBN: 978-3-931135-00-3
Erschienen: 1993
Umschlag: Rainer Gross

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Erzählt wird von einer Entbindung, einem angeschmierten Professor, einer Medizinisch-Astrologischen Heilanstalt, geleitet von dem berühmten hundertelfjährigen Sterndeuter Doktor Abba, von einem Mord – und von der Liebe.

Daß Max Mohr ein großer Humorist ist, beweist keines seiner Werke besser als Venus in den Fischen. Dieser turbulente satirische Roman um Großstadtleben, Astrologie, Geburtshilfe und das Verhältnis der Geschlechter atmet den Geist der »Goldenen« Zwanziger Jahre Berlins.

Carl Zuckmayer und Bruno Frank gefiel das Buch sehr.
Was Max Mohrs Freund D.H. Lawrence davon hielt, verrät der Anhang.

Max Mohr wurde am 17. Oktober 1891 in Würzburg geboren. Nach rebellischer Schulzeit mit mehreren Ausreißversuchen studiert er in München Medizin. Soldat im Ersten Weltkrieg. Dann erste Versuche auf dem Theater, sein Stück Improvisationen im Juni wird 1922 ein großer Erfolg. Mohr lebt bis 1934 als Arzt in Rottach am Tegernsee. Dort entstehen seine insgesamt fünf Romane, geprägt vom Zwiespalt zwischen Technik und Natur. Der ausgezeichnete Bergsteiger und engagierte Technikfeind weiß jedoch, daß die Lösung nicht in einem »Zurück zur Natur« zu suchen ist. 1934 ist Mohr, der jüdischer Herkunft war, nach Shanghai emigriert, wo er am 13. November 1937 starb.
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Leseprobe

Frau Anna Trillke war wenige Monate vor Beginn ihrer Schwangerschaft bei der Astrologie gelandet. Es war sonst gegen ihre Natur, ein ganzes Jahr lang beim gleichen Glaubensbekenntnis auszuharren. Da aber ihr Geist in diesen Monaten ein wenig träge geworden war, war sie bis jetzt der Astrologie treu geblieben.

Und der astrologische Fimmel hatte durchgehalten. Hier stand man jetzt. Hier war vielleicht der ewige Halt zu finden.
»Mein lieber Doktor Abba«, sagte Herr Trillke, »wirklich reizend, daß Sie schon gekommen sind! Hoffentlich fühlen Sie sich wohl in meinem kleinen Kral. Mein Personal hat natürlich wieder versäumt, mich rechtzeitig zu informieren, ich hatte keine Ahnung, daß Sie schon im Hause sind. Es steht natürlich alles auf dem Kopf bei uns, wir sind ja schon mittenmang – Do you prefer to speak English?«
»Sprechen Sie Deutsch«, sagte Doktor Abba,« ich verstehe alles, Herr Trillke.«
»Hoffentlich haben wir Sie nicht zu bald bemüht, aber man weiß ja nie, besser zu früh als zu spät, nicht wahr? Würde mir schrecklich leid tun, wenn Sie jetzt Ihre ganze Zeit umsonst absitzen, aber ich hoffe doch -«
»Oh, bitte, Herr Trillke, kann ja arbeiten hier, ich arbeite jede Nacht, ich versäume nichts bis morgen mittag -«
»Das Schiff wird natürlich erst gegen Morgen vom Stapel laufen. Frühestens, sagte der Arzt. Hoffentlich sind Sie mit Ihrem Zimmer zufrieden? Ich habe dieses Zimmer gewählt, weil hier der Balkon ist. Es ist ja sternenklar heute. Ich weiß zwar nicht, ob Sie Wert darauf legen aber Sie müssen nur hier auf den Knopf drücken, sehen Sie, und Sie können hinausspazieren unter Ihre geliebten Sterne.«
»Sie sind sehr freundlich, Herr Trillke.« Doktor Abba sprach jetzt sehr ernst und abgemessen, ganz anders als zuvor mit dem jungen Krebstheoretiker und der Kontrollgans. Er war jetzt im Amt. Auf dem Schreibtisch waren Sternkarten ausgebreitet, viele geheimnisvolle Tabellen und Ephemeriden, große Schreibblöcke, zierliche silberne Zirkel, ein alter, zerlesener Lederband, feine kleine elfenbeinerne Winkelhaken und Dreiecke und Transporteure.

»Wir bekommen doch die Horoskope und den Lebenslauf meines Kindes auf Elfenbein? Genau wie Sie es in der vorigen Woche bei meinem Freunde Krugmann ausgeführt haben, mein Lieber Doktor Abba?»
»Selbstverständlich. Allerdings ist dieses Material noch nicht in die vereinbarte Preis einbegriffen.«
»Das ist ja klar. Und wie steht eigentlich die ganze Sache für heute nacht oder morgen früh, was macht der Himmel für ein Gesicht, wenn ich fragen darf?«

»Wirklich gut”, sagte Doktor Abba. “Die Stellungen sind auf jeden Fall sehr bedeutend. Der Jupiter marschiert gerade in diese Tage wieder über die gleiche Stelle, wo er zu Ihrer Geburt gestanden ist, Herr Trillke. Man nennt das eine Transit. Das ist wundervoll, das ist eine deutliche Zeichen, daß die Baby wird wie die Papa. Auch sonst alles gut. Sie können ganz beruhigt sein. Keine böse Stellungen in die Nähe, keine Oppositionen, keine Quadrate zwischen die Planeten in diese Tage.«
Doktor Abba hatte sein Honorar für diese Nacht bereits verdient.

»Wie gefällt Ihnen Berlin?« fragte Herr Trillke fröhlich.
»Wundervoll. Es tut sich was.«
Herr Trillke lachte sehr. »Alles tut sich.«
»Es tut sich was«, wiederholte Doktor Abba freundlich. Er ließ es klingen: »Äsduzikwas.« Er wußte auch ohne Herrn Trillke, was dieses Äsduzikwas bedeutete. Äsduzikwas war ein Strahl des Merkur, Äsduzikwas schüttelte diese armen Gespenster in den Großstädten so lange durcheinander, bis kein anderer Planet mehr Kraft über sie besaß, kein Strahl der silbernen Venus und des grünen Jupiter und des blauen Uranus. Äsduzikwas läuft durch die Straßen, lauft, lauft, fallt nieder vor Äsduzikwas und betet ihn an.

Max Mohr ca. 1920

Max Mohr in der Wolfsgrub, außerhalb von Rottach, ca. .1934

Max Mohr mit Tochter Eva, ca. 1930

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