Hermann Essig
Der Taifun

Roman
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Rolf-Bernhard Essig
340 Seiten
fadengeheftete Broschur
€ 21
ISBN: 978-3-931135-28-7
Erschienen: 1997
Herausgeber: Rolf-Bernhard Essig
Umschlag: Martin Noel

bestellen bei Kohlibri


Der Taifun, sicher einer der komischsten Romane dieses Jahrhunderts, beschreibt in Form einer beißenden Satire die Vorgänge innerhalb der Berliner Künstlergruppe »Der Sturm« in den Jahren des Ersten Weltkriegs. Der Leiter des »Sturm«, Herwarth Walden, ist unschwer in der Figur des Ossi Ganswind wiederzuerkennen. Daneben tauchen Künstler und Literaten wie Marc Chagall, Franz Marc, Alfred Döblin oder Paul Scheerbart auf. »Der Sturm« war damals ein Sammelbecken der Avantgarde: In der gleichnamigen Zeitschrift publizierte die Creme des Expressionismus, und im Kunstsalon stellten u. a. die Künstler des »Blauen Reiters« und der »Brücke« aus. Essig karikiert diese Szene als wohlfeiles Unternehmen zur Bereicherung an der Dummheit der Spießbürger, gleichzeitig ihre Protagonisten als Spießer mit umgekehrten Vorzeichen – und merkwürdigen sexuellen Vorlieben. Herbert Ihering schrieb zum Erscheinen des Buches: »Grauenhafte Geschmacklosigkeiten (besonders des Körperlichen) stehen neben skurrilen Kühnheiten (ebenfalls des Körperlichen). Abstoßende Albernheiten neben fressenden Ironien.« Kasimir Edschmid nannte den Roman schlicht einen »der besten satirischen Romane unserer Zeit«. Dies gilt nach wie vor: Das chaotische Geschehen um Liebe und Kunst hat nichts von seiner Attraktivität eingebüßt. Und der Taifun wird noch heute als einer der wenigen gelungenen deutschen Schlüsselromane gesehen.
———————–
»Immerhin kann man an Hermann Essigs Taifun erinnern, der dem Sturm um Herwarth Walden (…) ein immer noch betrachtenswertes Groteskdenkmal setzt.« (FAZ)

»Daß Essig nicht mehr verschwinden darf, ist klar.« (Martin Walser)

Der Herausgeber Rolf-Bernhard Essig (geb. 1963), ein Enkel Hermann Essigs, lebt als Germanist und Historiker in Bamberg. Er verfaßte den Katalog zur Ausstellung über Hermann Essig in der Staatsbibliothek zu Berlin 1993.

Leseprobe

An der Korridortür war ein schwarzes Plakat angenagelt, auf dem mit gelber Messingschrift zu lesen war: Taifun, Leiter Hermione Ganswind. Während man davorstand und sich den Eintritt überlegte, wirbelten aus dem Innern die gigantischen Töne einer dämonischen, alle Sinne zermürbenden Musik. Wenn es ein Weib war, warum hieß es dann nicht Leiterin? War sie etwa eine herrische Dame, die nach Art der Tierbändigerinnen mit der Peitsche in der Hand herumlief? Sie leitete den Taifun, der den Sand der Wüste Sahara über die blühenden Landgärten des Nils in die Fluten des Mittelmeeres jagte. Irgendein geheimnisvoller Zusammenhang zwischen der fürchterlichen Musik und dem beabsichtigten Ziele mußte herrschen. Mit einem spiritistischen Schauer, der kalt über den Rücken lief, wagte man endlich den Eintritt.

Allein. Das war doch die größte Torheit. Denn, wem war es nicht selbstverständlich, daß der Taifun jeden, wenn er auch nur den Kopf hineinsteckte, sofort mitriß?! Man mußte sich den Ort der Handlung etwa vorstellen wie ein Riesengebläse, das die Menschen wie Staub wegsaugte. Das Saugen begann, wenn einer schon den dunkeldüstern Hof des Häuservierecks betrat. Unwiderstehlich riß ihn die Musik die Treppe hinauf, empor, hinein, und einmal drin, kam er nur wieder heraus, wenn ihm der Leiter freundlich zum Abschied die Hand reichte. Solcher Mensch kam dann immer wieder. Suchte ein Mensch Kunst oder Literatur, es blieb sich gleich, alle unbewußten Dranggefühle verkörperte die Musik, gespielt und erfunden von Hermiones Ehegatten.

Wer die Bändigerin des Taifun bewältigen konnte, der mußte ein guter Reiter sein.

Hermann Essig, Sturm-Künstler-Postkarte

Erstausgabe von 1919 mit der Umschlagzeichnung von Gustav Essig

Gesamtverzeichnis
Autoren  |  Künstler