Anslavs Eglitis
Homo Novus
Roman
Umschlag: Katharina Forssman
Aus dem Lettischen übersetzt und mit einem Nachwort von Berthold Forssman
400 Seiten
Fadenheftung, Broschur
€ 23
ISBN: 978-3-931135-90-4
Erschienen: 2006
An einem Septemberabend der 30er Jahre treffen auf dem Bahnhof in Riga zwei junge Männer ein. Eizens Zibeika kehrt aus Paris zurück, dort hat er sich vor allem zum Genußmenschen ausbilden lassen, hier will er eine Erbschaft antreten. Juris Upenâjs, Kunsthochschulabsolvent, kommt aus der Provinz, und Riga zu erobern ist für den schüchternen Maler ein verwegener Traum. Besagte Erbschaft aber wird für beider Leben Unerwartetes bedeuten.
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Anslavs Eglītis' Bohème-Roman Homo Novus ist ganz anders als die westlichen Vertreter des Genres. In der Hauptstadt des neuen, unabhängigen Lettland ist das Künstlersein nichts weniger als schwarzromantisch und morbide, Künstler sind keine Randexistenzen, sondern entfalten sich mitten im Leben, und ihr Ringen um Anerkennung ist wild, kraftvoll und von deftiger Fröhlichkeit. Juris Upenâjs bestaunt und besteht die Fallstricke der Pariser Trabantenmetropole Riga, zwischen neidischen Bohemiens, bürgerlichem Wohlwollen und nicht zuletzt den schönen Frauen – bis zum großen Showdown, einem heißumkämpften Kunstwettbewerb.
Anslavs Eglītis (1906-1993), lettischer Schriftsteller und Maler, ging 1940 ins Exil, zuerst nach Deutschland, dann in die USA. Homo Novus erschien dort erstmals 1944 in einer unvollständigen Fassung.
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Leseprobe
»O Lamm, das im Begriff ist, sich selbst auf dem Altar der Kunst zu opfern, bedenke beizeiten, was du vorhast! Die Musen sind entsetzliche Frauen. Sie erschlagen einen nicht auf einmal, sondern ziehen Ader um Ader heraus und häuten einen, Streifen um Streifen. Aber wenn du nun überhaupt nicht hören willst und wie eine besoffene Kakerlake in die Pfanne springst, dann merk auf und vergiß nicht, daß dich Orpheus Faustus persönlich deinem Martyrium geweiht hat!
Was blinzelst du, junger Mann?« fragte Orpheus, als er den verständnislosen Blick des Gesegneten bemerkte. »Vielleicht bist du ein solcher Hinterwäldler, daß du mich überhaupt nicht kennst? Orpheus Faustus ist der Name, den ich mir erwählt habe, weil nicht gewissenlose Eltern, sondern die Künstler selbst das Recht und die Pflicht haben, sich die Taufe zu geben. Orpheus deshalb, weil ich am süßesten und am weichesten singe, egal, ob in der Dichtung, in der Musik oder beim Malen, und Faustus, weil ich ewig und ohne Unterlaß nach neuen Erkenntnissen, Wegen und Ideen suche. Das Dichten ist nur eines meiner vielen Talente, ein unbedeutendes Detail, und wenn ich wollte, wäre ich schon lange ein international berühmter Poet, Maler, Geiger oder Komponist, aber ich will und forme etwas viel Höheres, noch Ungesehenes, Unerreichtes, ich schaffe die Kunst der Künste: die Vereinigten Künste. Der Tag ist nicht mehr fern, an dem Riga mit einer gewaltigen, funkelnden, wunderbaren und prophetischen Parade der Vereinigten Künste überrascht wird. Riga wird die Erste unter den Städten sein: Babylon, Memphis, Athen, Rom, Florenz, Paris, immer weiter nach Norden hat sich der Sitz der Kultur verlagert, und Orpheus Faustus und kein anderer bringt ihn nach Riga.«
Im Atelier erhob sich ein höllischer Lärm, alle applaudierten, trampelten und brüllten: »Bravo, Orpheus ! Faustus lebe hoch! Riga lebe hoch!« Orpheus verneigte sich.
»Schnaps her!« rief Salutaurs und reichte ihm ein Glas. »Stärk dich, Prophet! Setz dich an den Tisch!«