Anna Mahler
Anna Mahler: Ich bin in mir selbst zu Hause

Essays
Herausgegeben von Barbara Weidleund Ursula Seeber
Mit Beiträgen von Herta Blaukopf, Murray G. Hall, Oliver Hilmes, Gregory Hurworth, Albrecht Joseph, Anna Mahler, Ursula Seeber und Barbara Weidle
240 Seiten, zahlreiche Abbildungen
17 x 24 cm, fadengeheftete Broschur
€ 25
ISBN: 978-3-931135-79-9
Erschienen: 2004
Herausgeber: B. Weidle und U. Seeber

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Anna Mahler wurde 1904 in Wien geboren. Als Tochter von Gustav Mahler und Alma Mahler-Werfel hatte sie es nicht leicht, ihren Platz im Leben zu finden. Trotz großer musikalischer Begabung entschied sie sich für eine Laufbahn als bildende Künstlerin. In Rom studierte sie Malerei bei de Chirico. Doch ihre Leidenschaft waren seit 1931 Steinbildhauerei und Porträt.

Anna Mahler war eine äußerst starke Persönlichkeit, sie faszinierte ihre Zeitgenossen durch ihre Schönheit und ihre Klugheit: Elias Canetti hat ihr im »Augenspiel« ein eindrucksvolles literarisches Denkmal gesetzt.

Das Buch, das anläßlich ihres 100. Geburtstags im Juni 2004 in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Wien erscheint, basiert auf internationalen Recherchen und stellt bisher unveröffentlichtes Bild- und Textmaterial vor.
Es präsentiert die Grenzgängerin zwischen Kunst, Musik und Literatur in wichtigen Facetten. Als Kind erlebte sie das Entstehen von Kokoschkas »Windsbraut« mit, ihr Stief-Großvater, der Maler und Mitbegründer der Wiener Secession, Carl Moll, vermittelte wichtige künstlerische Eindrücke, ihre erste Schwiegermutter war die Malerin Broncia Koller. In zweiter Ehe war sie mit dem Komponisten Ernst Krenek verheiratet. Es folgte der Verleger Paul Zsolnay. In London heiratete sie den Dirigenten Anatole Fistoulari, und ihre späten Jahre verbrachte sie mit dem Regisseur, Autor und Filmcutter Albrecht Joseph.
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Leseprobe

Im Juni 1938 wohnte sie kurz in Paddington, 2 Queensborough Studios, wie aus den Tagebüchern von Albrecht Joseph (ihrem späteren Ehemann), einem Freund Carl Zuckmayers, den sie aus Wien kannte, hervorgeht. Am 22. Juni verzeichnete Albrecht Joseph ihren Umzug nach Merton Rise, Hampstead, in die Fellows Road 74, wo sie auch ein Atelier hatte. Nach Hampstead, in das Künstlerviertel mit dem heute noch dörflichen Charakter, wo auch D. H. Lawrence einst gelebt hatte, zogen in den späten dreißiger Jahren viele Emigranten, darunter Veza und Elias Canetti, die in der Thurlow Road wohnten. Sigmund und Anna Freud lebten in Maresfield Gardens.
Albrecht Joseph und seine Freundin Irma sahen Anna in den Wochen seines Aufenthaltes in London oft, bevor er nach Amerika emigrierte. In seinem Terminkalender sind gemeinsame Kinobesuche vermerkt, zum Beispiel Design for Living von Ernst Lubitsch, A Day at the Races mit den Marx Brothers. Am 14. September notierte er: »Mit I.[Irma] bei Anna Mahler, Merton Rise. Sie macht einen verelendeten Eindruck, Kastner [ihr damaliger Freund, ein Architekt aus Wien] holte sie ab. Irma ging mit ihnen zum Promenadenkonzert Queens Hall.« Auch Robert Neumann und seine Freundin traf Albrecht Joseph bei Anna in der Fellows Road.
(Barbara Weidle: Ich bin in mir selbst zu Hause II: Anna Mahler in London, Montreal, Los Angeles und Spoleto 1938 – 1989)
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Nach dem Tod ihrer Mutter war Anna zur Anlaufstelle für alle Mahler-Forscher der Welt geworden. Sie bewahrte eine Menge von Wissen, das mit ihr verschwand. »Von der Totenmaske [Gustav Mahlers] weiß ich alles«, schrieb sie mir und fügte der Erklärung der diversen Abgüsse noch eine skurrile Geschichte von Mahlers Totenhemd an. Auch über Rodins Mahler-Portraits führten wir Korrespondenz. Das Interesse der Mahler-Forscher galt aber nicht nur dem Vater, sondern ebenso der Mutter und vor allem der klugen, humorgesegneten – und immer noch schönen – Künstlerin Anna Mahler. Henry-Louis de La Grange, Paris, war mit ihr befreundet und besuchte sie des öfteren, ebenso Donald Mitchell, London, Marius Flothuis, Amsterdam, und viele, viele andere, nicht zu vergessen der Österreicher Franz Willnauer, der damals bei den Bayer-Werken in Deutschland arbeitete. Ihm gelang es 1981, in Leverkusen eine repräsentative Anna-Mahler-Ausstellung zu organisieren. Dazu mußten viele der in Spoleto befindlichen Skulpturen auf Reisen gehen. »Rein mechanisch ist das innerhalb dieser kleinen alten Stadt mit engen Straßen und niederen Mauerbögen keine Kleinigkeit«, schrieb mir Albrecht, und ich erinnere mich, daß zugunsten des Transports Teile der Innenstadt für den Verkehr gesperrt werden mußten. 1977 waren Anna und Albrecht als Gäste der Wiener Fremdenverkehrswerbung einige Tage in Wien gewesen und hatten dabei die ihnen noch nicht bekannte Wotruba-Kirche in Mauer besichtigt. In Leverkusen gab es, diesmal ohne meinen Mann, ein Wiedersehen. Es tat Anna wohl, so viele ihrer Arbeiten versammelt zu sehen, und es tat ihr, die Einsamkeit gewöhnt war und liebte, auch wohl, einmal im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen.
(Herta Blaukopf: Das überlebensgroße Bild des Vaters Erinnerungen an Anna Mahler)
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Inhalt

Barbara Weidle: Kindheit im Schatten
Das Leben Anna Mahlers 1904 – 1921

Gregory Hurworth: Aus Anna Koller wird Anni Krenek
Die Zeit mit Ernst Krenek 1922 – 1924

Barbara Weidle: Ich bin in mir selbst zu Hause
I: Anna Mahler in Rom, Paris und Wien 1924 – 1938

Oliver Hilmes: Zwischen Kreuz und Hakenkreuz
Die Familie Mahler-Werfel und der österreichische Ständestaat

Albrecht Joseph: Zu Besuch bei Alma Mahler-Werfel
Auszug aus einem Manuskript von 1977

Murray G. Hall: »Warum nicht Zsolnay?«
Paul Zsolnay und sein Verlag

Anna Mahler: Geliebtes Mamili
Briefe aus London

Barbara Weidle: Ich bin in mir selbst zu Hause
II: Anna Mahler in London, Montreal, Los Angeles und
Spoleto 1938 – 1988

Herta Blaukopf: Das überlebensgroße Bild des Vaters
Erinnerungen an Anna Mahler

Ursula Seeber: Der Kult des rastlosen Überschwangs
Anna Mahler als literarische Figur

Barbara Weidle: Diese fast mystische Gewißheit
Anna Mahler als Künstlerin

© Marina Mahler

© Marina Mahler

© Marina Mahler

Foto: Lillian Birnbaum

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