Norbert Prangenberg
Die Wurzel
Skulpturen
Gespräche mit Norbert Prangenberg von Rolf Steiner und Barbara Weidle
Photographien von Rainer Schmitz-Jüssen
60 Seiten, 40 Farbabbildungen auf mattgestrichenem Offsetpapier
fadengeheftete Broschur
€ 19
ISBN: 978-3-9311335-50-8
Erschienen: 2000
Der renommierte Maler und Bildhauer Norbert Prangenberg präsentiert vierzig zumeist großformatige, farbig glasierte Keramikformen. Ungewöhnlich großzügig installiert, geben sie einen umfassenden Einblick in die künstlerische Arbeit Prangenbergs, der heute als Professor für Keramik an der Kunstakademie in München lehrt.
»Meine Arbeiten sind mir oft auch unglaublich fremd, wenn sie fertig sind. Das sind nicht alles gute Freunde oder Teile von mir. Ich habe gar nicht das Gefühl, das gehört mir, das ist meins. Es sind oft Teile, die mir sehr fremd sind, die ich akzeptieren und respektieren muß. Ich versuche eine Offenheit zu halten zu meiner Arbeit, eine grundsätzliche Ehrlichkeit zu behalten. Am Ende muß ich das Gefühl haben, die Arbeit hat Dinge zusammengefügt, die etwas ergeben, das offen ist, das eine Wirkung hat, was nachvollziehbar ist, wo ein Geheimnis ist. Etwas, was ein Gewicht hat, eine Schwere, eine Ausstrahlung. Und was ein Gegenüber ist. Es muß ein Gegenüber sein, mit dem es sich lohnt, sich zu beschäftigen. Die Offenheit beim Machen ist mir wichtig. Nicht etwas in eine Richtung zwingen. Immer wieder diese Kontemplation. Sehen, was da ist, und immer wieder darauf reagieren.«
Norbert Prangenberg
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Barbara Weidle im Gespräch mit Norbert Prangenberg
am 9. August 2000 auf dem Hermeshof
BW: Ihre Arbeiten sind ja auch normalerweise begrenzt von Umraum, Decke, Boden, Wänden. Nur in diesem Fall ist das anders. Die skulpturale Form dehnt sich aus, und auch die Energie, die aus dieser Form kommt. Wie empfinden Sie diese Unbegrenztheit?
NP: Das ist eine neue Erfahrung. Dieser Vierkanthof hat allerdings auch eine sehr klare Architektur, er setzt Grenzen. Nach oben hin ist er natürlich offen. Es ist kein geschlossener Raum. Mir geht es bei meiner Arbeit darum, daß die Skulptur am Ende eine Konzentration auf sich selbst hat. Ein Gewicht. Kein Kilogewicht, sondern eine Ausstrahlung. Das ist mir auch bei den Bildern wichtig. Dadurch, daß die Figuren so auf sich selbst bezogen sind, halten sie die unruhige Situation, die offene Situation in diesem Hof aus. Die großen, hohen Stehenden habe ich deshalb hier hereingestellt – wir haben ja vor dem Hof auch liegende Formen -, weil ich denke, daß dieses Aufstreben hier am besten funktioniert. Die liegenden Formen würden sich zu sehr zum Boden orientieren. Die stehenden Formen sind offen und nehmen auch das Licht auf. Das ist überhaupt ein Thema bei meinen Skulpturen: der Innenraum und der Außenraum. Die liegenden Skulpturen haben auch Öffnungen, sind an beiden Seiten offen und zum Teil auch innen glasiert. Der Innenraum ist genauso wichtig wie der Außenraum.
BW: Die Formen der Skulpturen sind sehr archaisch. Sie erinnern an Vasen, Vorratsgefäße, Urnen, Eier. Auch diese Höhlenform, das Dunkle, in das man sich hineinbegibt. Sie benutzten eine ganz alte Sprache.
NP: Man kann den Innenraum mitdenken plötzlich. Der eröffnet einen anderen Bezug. So spüre ich das. Ich fände eine riesige Tonarbeit, wenn sie massiv wäre, wahrscheinlich furchtbar langweilig. Ich mache einfach diese Formen so, weil ich sie nur so empfinden kann.
BW: Wenn Sie diese Form öffnen, ihr einen Innenraum geben, schwingt etwas anderes mit: Das Umhüllen einer Dunkelheit, bei manchen, die in einem gewissen Gegensatz steht zu den farbigen, hellen, lebhaften Oberflächen außen.
NP: Ich finde es schön, daß das Licht auch in der Skulptur ist. Ich habe sie zum Teil innen farbig glasiert. Wenn man zum Beispiel in die tonnenförmige Liegende, die links vor dem Hofeingang liegt, hineinsieht und diesen blauen Rand wahrnimmt, dann assoziiert er sich unwillkürlich mit dem, was man sonst mit Blau verbindet, also Himmel oder Wasser. Das gefällt mir einfach. Daß das Innere einer Figur, das dunkel ist oder in das das Licht weniger eindringt, daß so ein Raum die Farbe des Himmels hat. Dann weitet er sich.