Erna Pinner
Curious Creatures
Nature Writing
Nachwort von Barbara Weidle, Porträt der Künstlerin von Kat Menschik
ca. 320 Seiten, ca. 100 Abbildungen
fadengehefteter Festeinband
€ 30
ISBN: 978-3-949441-05-9
Erschienen: Oktober 2022
Worum geht es in diesem Buch? Es geht um seltsame Geschöpfe der Tierwelt, Merkwürdigkeiten der Natur. Vierfüßler, die fliegen, Camouflage, Insekten mit sonderbaren Körperformen und Lebensgewohnheiten: »Väterliche Brutpflege«, »Wassertiere, die Luft atmen«, »Was nicht alles aus einem Ei schlüpft«.
Worum geht es in diesem Buch? Es geht um seltsame Geschöpfe der Tierwelt, Merkwürdigkeiten der Natur. Vierfüßler, die fliegen, Camouflage, Insekten mit sonderbaren Körperformen und Lebensgewohnheiten: »Väterliche Brutpflege«, »Wassertiere, die Luft atmen«, »Was nicht alles aus einem Ei schlüpft« heißen die Kapitel, in denen Erna Pinner leichtfüßig und elegant Wissen vermittelt. Vollkommen unangestrengt, wie in einem TV-Tierfilm, bevor es solche gab, plaudert sie höchst lehrreich etwa über den lustig anzusehenden Schlammspringer, eigentlich ein Fisch, der in den Mangrovensümpfen des tropischen Afrika seine Zeit zwischen Wasser und Land gleichmäßig aufteilt. Oder die Dosenschildkröte, auch eine Grenzgängerin zwischen Land und Meer. Wir erfahren, daß der Gorilla trotz seiner Stärke kein Raubtier ist und Pflanzen und Früchte als Nahrung bevorzugt. Vor allem aber können wir auch ihre wunderbar zwischen Natur und Kunst balancierende Zeichnung eines Gorillas und viele andere Tierzeichnungen betrachten. Anatomische Genauigkeit mischt die Künstlerin mit einem System aus Schraffuren und Punkten, das einzigartig ist.
Es gelingt ihr mit einer großen Leichtigkeit, ihr eigenes Staunen vor der Natur zu vermitteln und auch uns staunen zu machen.
Erna Pinner (1890-1987) war als Zeichnerin, Illustratorin und Autorin in den 1920er Jahren eine bekannte Künstlerin Gemeinsam mit dem Schriftsteller Kasimir Edschmid unternahm sie zahlreiche Reisen: in Europa, Palästina, Syrien, Libanon, Südamerika, Südost- und Südwestafrika. 1931 erschien ihr Buch Ich reise durch die Welt. Zu ihrem Freundeskreis gehörten u. a. Else Lasker-Schüler, Renée Sintenis, Gabriele Tergit und Gottfried Benn. Im Herbst 1935 emigrierte die Frankfurterin aus jüdischer Familie nach London. Dort begann sie ab 1936, beruflich als Illustratorin Fuß zu fassen. 1951 erschien ihr erstes eigenes Buch, Curious Creatures, auf englisch verfaßtund mit ihren Illustrationen, im Verlag Jonathan Cape. 1955 kam das Buch im Verlag ihres Freundes Paul Zsolnay unter dem Titel Wunder der Wirklichkeit in ihrer eigenen deutschen Übersetzung heraus.
Barbara Weidle kuratierte 1997 die erste Einzelausstellung Erna Pinners in Bonn. 2004 und 2005 präsentierte sie Ausstellungen zu Erna Pinner in Frankfurt (Deutsche Bibliothek) und Leipzig (Deutsche Bücherei). 2021 erschien ihr Aufsatz Im Stromgebiet der Zoologie: Erna Pinners Neuanfang im englischen Exil im Jahrbuch für Exilforschung 2021, Band 39.
Leseprobe
Giganten existieren im Wasser, an Land und in der Luft. Tiere, die sich durch ungeheure Größe auszeichnen, verfügen im allgemeinen über Kräfte, die diesen Ausmaßen entsprechen. Das alte Sprichwort, daß der Schwache vor die Hunde geht, trifft besonders auf die Mitglieder des Tierreiches zu, und Gigantentum als Lebensform gereicht verschiedenen Gruppen der Fauna zu großem Vorteil.
Die Tatsache, daß manche Geschöpfe viel größer und stärker sind als andere, unterliegt keinem Zweifel. Ein solcher Unterschied ist aber relativ, da jedes Tier in seiner eigenen Sphäre seine besondere Machtstellung einnimmt. Einige Tiere bilden sogar, wie wir sehen werden, Ausnahmen, indem sie, ungeachtet ihrer riesenhaften Dimensionen, keinen direkten Nutzen aus ihrer physischen Überlegenheit ziehen.
Im Laufe der langen Erdgeschichte waren die größten Riesen stets Bewohner des Wassers und sind es auch heute noch. Getragen von dem Element, in dem sie leben, werden sie von ihrem eigenen Gewicht kaum behindert und sind wenig in der Entwicklung ihrer Größe gehemmt. Dies trifft besonders auf die Wale zu, die sich aus den auf dem Lande wandelnden Vorfahren zu Luft atmenden, im Wasser schwimmenden Säugern entwickelt haben. Wie alle Säugetiere sind sie Warmblüter, doch schützt sie eine dicke Speckschicht unter der Haut vor Kälte. Obwohl die Entwicklungsgeschichte der Wale lückenhaft ist, erscheint es fraglich, ob sie in früheren Zeiten jemals die Größe erreichten, durch die einige ihrer Vertreter sich heute auszeichnen.
Weitaus der markanteste Repräsentant wirklichen Gigantentums ist der Große Blauwal, der in den Gewässern des südlichen Eismeers manchmal eine Länge von mehr als dreißig Metern erreicht. Der Franzose George Blond vergleicht sogar die Länge eines Blauwals mit der von sechsunddreißig 'Schlange stehenden' Elefanten. Einzelne dieser Wale haben nachweislich ein Gewicht von etwa hundertfünfzig Tonnen. Der Blauwal ist nicht nur das größte lebende Säugetier, sondern ist, soviel man weiß, das größte Lebewesen, das je auf diesem Planeten existierte.
Trotz seiner erstaunlichen Größe kann dieser Koloß jedoch nur kleine Plankton-Krebse verschlingen. Der Unterordnung der Bartenwale angehörend, besitzt er keine Zähne, und sein Schlund hat einen Durchmesser von nur wenigen Zentimetern. An Stelle der Zähne hängen von dem oberen Gaumen mehrere hundert hornige Fischbeinplatten oder Barten herab, die an der Innenseite ausgefranst sind, so daß sie wie ein Sieb wirken. Der Wal schwimmt mit offenem Maul durch die an der Wasseroberfläche treibenden dichten Krebsschwärme, und wenn er gelegentlich sein Maul schließt, preßt die Zunge, die etwa der Größe eines Ochsen entspricht, den Fang in den Schlund, und das Wasser fließt an den Seiten ab.
Von allen lebenden Zahnwalen ist der Pottwal, Physeter catodon, der größte und wahrscheinlich der am weitesten verbreitete. Einstmals ein häufiger Bewohner des Atlantischen und Stillen Ozeans, ist er jetzt nur noch in der Nähe der Küsten von Japan, Chile und Natal anzutreffen. Dieser abenteuerlichste und kämpferischste unter den Walen, der Moby Dick aus Melvilles berühmtem Buch, erlangt ein imposantes Ausmaß.