Octave Mirbeau
628-E8
Roman.
Aus dem Französischen übersetzt, kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Wieland Grommes. Mit Photographien von Dirk Dahmer.
602 Seiten, Photographien
fadengeheftete Broschur
€ 29
ISBN: 978-3-938803-04-2
Erschienen: April 2013
Die Übersetzung wurde von der Kunststiftung NRW gefördert.
Stiftung Buchkunst prämiert: »eines der schönsten Bücher«
628-E8
Hinter dem geheimnisvollen Titel verbirgt sich schlicht ein Autokennzeichen, nämlich dasjenige des »Charron«, mit dem Octave Mirbeau im Sommer 1905 durch Europa fuhr. Hier also das Tagebuch dieser Reise im Automobil durch einen Teil von Frankreich, Belgien, Holland und Deutschland und vor allem durch einen Teil von mir selbst. Ist das aber wirklich ein Tagebuch? Ist das überhaupt eine Reise? Sind dies nicht eher Träume, Träumereien, Erinnerungen, Impressionen, Erzählungen, die zumeist überhaupt keinen Bezug, keine sichtbare Verbindung zu den besuchten Ländern haben, sondern ganz einfach in mir eine Figur, der ich begegnet bin, erstehen oder wiedererstehen lassen, eine flüchtig gesehene Landschaft, eine Stimme, die ich meinte im Wind singen oder weinen zu hören?
Octave Mirbeau (1848 – 1917) war Journalist, Kunstkritiker, Dramatiker und Romanautor. Hierzulande wurde er hauptsächlich durch seinen Roman Tagebuch einer Kammerzofe bekannt.
Octave Mirbeau ist der größte französische Schriftsteller unserer Zeit und derjenige, der in Frankreich den Geist des Jahrhunderts am besten repräsentiert.
Lew Tolstoi
In aller Frische – und wie es seine Art ist, immer leicht bis ziemlich überspitzt – vermittelt Mirbeau seine Faszination von der Geschwindigkeit, die durch dieses Auto – dieses “ideale Haus auf Rädern” oder “magische Tier”- in unser Leben kommt, oder genauer, die unser Leben ergreift und ganz neu taktet.
Bernd Noack hat das jetzt wiederentdeckte Werk für den Diwan gelesen. Sie hören seinen Beitrag Samstag, 11. Januar 14.05 Uhr auf Bayern 2 ( Wiederholung 21.05 Uhr)
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»628-E8« ist ein kurioses Buch, weil es trotz aller Gedankensprünge des Autors immer erzählerisch stringent bleibt. Es gibt ergreifende Szenen, etwa wenn Mirbeau einem alten Juden begegnet, der bei den großen russischen Pogromen seine Frau, seine Kinder und seine Enkelkinder verlor.
Und natürlich wimmelt das Buch von skurrilen Typen, abstrusen Geschichten, amourösen Abenteuern und messerscharfen Urteilen. Keine Frage: 1906 war die Moderne noch ein Projekt, das aber wenig später in den Schützengräben zum Teufel ging.
(»Ah! Was für eine Straße!« Andreas Gebbink – WAZ, 10.12.13)
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Widmung an Monsieur Fernand Charron
Wem, wenn nicht Ihnen, verehrter Monsieur Charron, ist die Erzählung dieser Reise zu widmen, da Sie es doch waren, der dieses bewundernswerte Automobil, mit dem ich die Reise ohne Erschöpfung und ohne Pannen vollende, konzipiert, konstruiert und ihm ein wundervolles Leben eingehaucht hat? Diese Hommage bin ich Ihnen schuldig, denn ich verdanke Ihnen vielfältige Freuden, neue Impressionen, eine ganze Kategorie wertvoller Erkenntnisse, die einem die Bücher nicht vermitteln, sowie Monate, ganze Monate totaler Freiheit, fern von meinen kleinen Problemen, von meinen großen Sorgen und fern von mir selbst, inmitten von neuen oder nur wenig gekannten Ländern, inmitten von so verschiedenartigen Menschen, wo ich die gewaltige und geruhsame Kraft, die sie – trotz der örtlichen Zwistigkeiten, trotz des Widerstands der Interessen, der Gelüste und der Privilegien und trotz ihrer selbst – unaufhaltsam der großen Vereinigung der Menschheit entgegentreibt, besser verstanden habe, da ich näher mit ihnen in Berührung kam. Ja, was das Neue, was das Faszinierende daran ist, ist dies: Das Automobil fährt uns nicht nur von der Ebene ins Gebirge, vom Gebirge ans Meer, durch unendliche Formen, durch gegensätzliche Landschaften, durch immer wieder neue malerische Ansichten; es führt uns auch durch verborgene Sitten und Gebräuche, durch gerade erst entstehende Ideen, durch die Geschichte, unsere lebendige Geschichte von heute – Auf alle Fälle macht einen dies so selig, daß man glaubt, dies alles sei wirklich geschehen. Müssen wir dann aber all unseren Vergnügungen, um sie für uns erträglich zu machen und dabei kein schlechtes Gewissen zu haben, nicht ein wenig Adel verleihen?
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Zu den Photographien:
Es war gar nicht einfach, das richtige Fahrzeug zu finden – die Suche führte uns bis nach Prag – , doch schließlich hat durch Vermittlung von Yannick Schwarz und Gregor Schulz der Photograph Dirk Dahmer im November 2010 den Charron von Mr. John Hovey (USA) beim »London Brighton Veteran Car Run« abgelichtet, wofür wir allen Beteiligten sehr herzlich danken.