Erwin Bechtold
Ventana.
Mit Beiträgen von Christoph Zuschlag, Günther Friedrichs und Kirsten Maria Limberg
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Anläßlich der Ausstellung “Erwin Bechtold. Ventana” in der kunstgaleriebonn, 4.11. – 21. 12. 2011.
118. Seiten, 28 Tafeln
Fadenheftung
€ 25
ISBN: 978-3-938803-42-4
Erschienen: November 2011
Herausgeber: Gisela Clement, Michael Schneider
Wenn man die Titel der Werke und Serien Erwin Bechtolds liest, ohne die Bilder dazu zu sehen, dann klingen sie reichlich nüchtern, ja trocken: "Winkel/Fläche/Raum", "Winkelbogen zentral", "Fläche in der Fläche", "Zeichnungen zentral" etc. Doch zeigt sich, daß Bechtold hier explizit benennt und zum Thema erhebt, was implizit seit jeher Thema der Malerei ist.
Denn Raum und Fläche, Figur und Grund, Licht und Schatten, Zentrum und Peripherie (Mitte und Rand) sind elementare formale Probleme der Malerei, mit denen sich auch ein Raffael, ein Rembrandt, ein Delacroix, ein Manet, ein van Gogh und ein Picasso auseinandergesetzt haben, ganz unabhängig davon, was sie in ihren Bildern darstellten und wie sie es taten. Indem die Künstler der Moderne den Gegenstand aus ihren Bildern verabschiedeten und zur Abstraktion vordrangen legten sie den Blick auf diese grundlegenden bildnerischen Probleme frei. In der Tradition dieser Künstler der klassischen Moderne – also der Generation von Kandinsky, Klee, Baumeister, Mondrian, Malewitsch, Delaunay, Léger und Miró – steht Erwin Bechtold. Als Vorbilder für seinen Weg der Vereinfachung der Abstraktion benennt er die amerikanischen Maler Mark Rothko, Barnett Newman und Robert Motherwell, außerdem beeindruckten ihn die frühen Lithographien von Hans Arp. Auch wenn in seinen abstrakten, autonomen Bildwelten jedweder unmittelbare Reflex auf die außerkünstlerische Wirklichkeit fehlt, sieht sie Bechtold keinesfalls losgelöst vom Menschen und dessen Lebenswirklichkeit sowie von seiner eigenen Existenz. Im Gegenteil: "Ich schreibe nicht über mich – ich male über mich. (…) Der Mensch steht im Mittelpunkt meiner Arbeit – und er lebt, wie die Natur, in Kontrasten, Spannungen, Störungen. Wir sind in das Spiel der geordneten Unordnung, der ungeordneten Ordnung existentiell eingebunden. Meine Bilder sind der Versuch, diese komplexe Unergründlichkeit in die künstlerische Wirklichkeit umzusetzen."
Wie das menschliche Leben vom permanenten Wechselspiel der Kräfte geprägt ist, von Intuition und Ratio, von Emotion und Vernunftkontrolle, so vereinigt Bechtold in seiner Kunst rationale und intuitive Momente, konstruktives und spontanes Gestalten, Ordnung und Zufall – Gegensätze, die er nicht in Harmonie auflösen will, sondern als Gegensätze und Kontraste im Bild wirksam werden läßt. Diese Pole finden sich auch im Menschen Erwin Bechtold, der von seiner deutschen Herkunft und dem rheinischen Humor ebenso geprägt ist wie von der mediterranen Lebensart in seiner spanischen Wahlheimat, der zweifellos ein großer Systematiker ist (wie auch seine Karteikarten, Ausstellungspläne und Werktitel zeigen), zugleich aber auch von einer bewundernswerten Gelassenheit und Leichtigkeit. Erwin Bechtold ist ein europäischer Künstler im besten Sinne des Wortes – ein Wanderer zwischen Welten und Kulturen.
(Christoph Zuschlag)