Albert Cohen
Die Tapferen
Roman
Aus dem Französischen von Andrea Spingler
Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis 2007 von Stiftung ME Saar und SR geht an Andrea Spingler
296 Seiten
Fadenheftung, fester Einband
€ 23
ISBN: 978-3-931135-89-8
Erschienen: 2005
Umschlag: Bettina Munk
Gefördert durch Pro Helvetia – Schweizer Kulturstiftung
»Die Tapferen«, das sind die fünf skurrilen Cousins Solal: Saltiel, Salomon, Mattathias, Michaël und Pinhas, genannt Eisenbeißer. Sie leben auf der griechischen Insel Kephalonia. Ihr Wortführer ist Eisenbeißer, der »Bey der Lügner« und »Kapitän der Winde«. Aus Geldmangel hat er sich zum Selbstmord entschlossen, doch im letzten Moment kommt ihm die rettende Idee, statt dessen eine Universität zu gründen. Dort unterrichtet er alles, vom Sinn eingeschriebener Briefe bis zur Kunst der Verführung. Als die fünf einen Brief mit einem Scheck ihres Neffen Solal de Solal aus Genf erhalten, wird die Universität kurzerhand geschlossen, und sie machen sich auf den Weg zu ihm. Zuerst aber fliegen sie nach Rom, von dort reisen sie über Paris nach England weiter, wo Eisenbeißer unbedingt die Königin kennenlernen will. Ein grotesk-komischer Roman, der die Welt von 1935 aus der Sicht seiner pittoresken Figuren schildert.
Albert Cohen wurde 1895 auf Korfu geboren. Nach einem Jurastudium arbeitete er ab 1926 in Genf, Paris und London für internationale Organisationen, u. a. für die »Jewish Agency for Palestine«. 1930 erschien sein erster Roman, Solal, 1938 Eisenbeißer, 1968 Die Schöne des Herrn, der mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet wurde. Die Tapferen (1969) bildet den letzten Band der Solal-Tetralogie. Cohen starb 1981 in Genf.
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Andrea Spingler erhält den Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis 2007 von Stiftung ME Saar und SR.
Der Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis 2007 der Stiftung ME Saar und des Saarländischen Rundfunks geht an Andrea Spingler für ihre herausragenden Übersetzungen aus dem Französischen. Die 1949 geborene und in Oldenburg lebende Andrea Spingler ist seit 1980 als freie Übersetzerin tätig und hat unter anderem Werke von Marguerite Duras, Alain Robbe-Grillet, Patrick Modiano, Agota Kristof, Pascale Kramer und vielen anderen zeitgenössischen französischen Autoren ins Deutsche übertragen.
»Andrea Spinglers Übersetzungen zeichnen sich nicht nur durch enorme Genauigkeit und Texttreue aus, sondern ihr besonderes Gespür für Assoziationen, Stimmungen und unterschwellige Strömungen der Originaltexte lassen sie im Deutschen eine adäquate, ausdrucksvolle Sprache finden. Ihre außergewöhnlich vielschichtigen Übertragungen lassen den Leser vergessen, dass es sich um einen fremdsprachigen Text handelt, womit sie dem deutschen Publikum den Weg zu wichtigen und doch ganz unterschiedlichen französischen Autoren geebnet hat«, so die Jury in ihrer Begründung.
Der Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis wurde 2004 zur Erinnerung an und in Würdigung des bekannten Sulzbacher Übersetzers begründet und seit 2005 jährlich von der Stiftung des Verbandes der Metall und Elektroindustrie des Saarlandes (Stiftung ME Saar) gemeinsam mit dem Saarländischen Rundfunk an eine Übersetzerin oder einen Übersetzer im Wechsel für eine außergewöhnliche Übersetzungsleistung aus dem Deutschen ins Französische bzw. aus dem Französischen ins Deutsche vergeben.
Der Tag der Verleihung des mit 6000 Euro dotierten Preises ist jeweils der 7. September, der Geburtstag Eugen Helmlés.
Die Jury des Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis 2007 bestand aus den Autoren Cécile Wajsbrot und Georges-Arthur Goldschmidt sowie der SR-Redakteurin Anette Kührmeyer.
Die Preisverleihung findet am Freitag, 7. September um 19 Uhr im Konferenzgebäude des Saarländischen Rundfunks in Saarbrücken statt.
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Leseprobe
Um sechs Uhr morgens entstieg Pinhas Solal, genannt Eisenbeißer, in dem ihm als Schlafzimmer dienenden Keller gänzlich angekleidet der Hängematte, die sein Bett darstellte.Wie um von sich selbst Abschied zu nehmen, betrachtete er sich in der gesprungenen Glasscheibe, die an der Wand lehnte und ihm als Spiegel diente. Mit tiefen Seufzern bewunderte er all das an seiner Erscheinung, was er bald nie mehr sehen würde, bewunderte sein hageres Gestell eines Schwindsüchtigen, seinen sardonisch gegabelten Bart, seine dreckigen großen Füße, die er so geliebt hatte, seine gewaltigen Hände, ganz aus Knochen, Haaren und vortretenden Adern, seinen geflickten Gehrock, seinen Zylinder. Ein ernüchtertes Lächeln entblößte seine langen gelben Zähne, die ebensoweit auseinanderstanden wie seine Zehen. Ja, dieser Tag, der achtundzwanzigste März, würde der unselige Tag seines Ablebens sein. »Leb wohl, teurer Anblick meiner Person!« sagte er zu seinem Bild in der Scheibe.
So endeten leider alle Genies: im Elend und durch Selbstmord! Ach, die Gesellschaft war schlecht eingerichtet, und es war ungerecht, daß Überlegenheit unter den Menschen auf anderem beruhen konnte als auf Verdiensten, rascher Auffassungsgabe und Tugend!